Reaktivierung des Wasserkraftstandortes am ehemaligen Buderuswehr in Lollar

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Das Wasserkraftpotential am ehemaligen Buderus-Wehr in Lollar soll mit dem Neubau eines Wehrkraftwerkes am rechtsseitigen Ufer mit einer Leistung von 250 kW reaktiviert werden.
Als Kraftmaschinen sollen zwei langsam-drehende Turbinen zum Einsatz kommen, die 1,13 Mio Kilowattstunden klimafreundliche und regionale Energie pro Jahr produzieren. Dies deckt den stetigen Strombedarf von ca. 10% der Haushalte der Stadt Lollar mit seinen Stadtteilen.

Die Wasserkraftanlage vermeidet damit 645 Tonnen Kohlendioxid im Vergleich zum bundesdeutschen Strommix. Außerdem spart sie jährlich über 1000 Tonnen Braunkohle ein, die sonst in zentralen thermischen Großkraftwerden verbraucht würden.

Gleichzeitig soll die Durchgängigkeit an dem derzeitigen Wanderhindernis hergestellt und hierzu ein Fisch-Kanu-Pass am Ufer eingebaut werden, der neben der Fischwanderung zukünftig auch die gefahrlose Passage von Kanus über die Staustufe ermöglicht. Mit der Herstellung der aquatischen Durchgängigkeit werden wesentliche Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie erreicht.

Das Buderus-Wehr ist der letzte Ort zwischen Roth und Lahnstein, an dem Kanuten ihre Kanus aus dem Wasser heben und zu einen Punkt unterhalb des Wehres tragen müssen, um das Kanu dort wieder einzusetzen. Der geplante Fisch-Kanu-Pass wird dafür sorgen, dass die Kanuten in Zukunft nicht mehr umtragen müssen.

Der Fischschutz wird durch einen Horizontalrechen mit 12mm-Rechenstababstand mit Leitfunktion, Aalleitkante und Fischabstieg nach Gluch realisiert.

Das Buderus-Wehr in Lollar ist eine von 31 Staustufen in Hessen, die zur Reaktivierung der Wasserkraftnutzung vorgesehen sind. Das Vorhaben wird von der Stadt Lollar, der Firma Bosch Thermotechnik, dem Wasserverband Lahn-Ohm und dem hessischen Kanu-Verband unterstützt.

Im Vorfeld zeigen sich lokale Fischereivereine skeptisch. An vielen anderen Standorten jedoch, an denen Wasserkraftanlagen mit solch hohem Anspruch an Fischschutz zusammen mit Fischaufstiegsanlagen errichtet worden sind, haben die ansässigen Fischer die ökologischen Verbesserungen selbst feststellen können und den Einfluss auf die Gewässerökologie und Fischbestände im Nachhinein positiv bewertet. 

Das Regierungspräsidium Gießen hat Anfang Februar 2016 die Genehmigung zum Bau der Wasserkraftanlage erteilt. Siehe auch unter Presse.

Der Verband hessischer Fischer e.V. hat als Naturschutzverband Klage gegen den Genehmigungsbescheid eingelegt. Er begründet die Klage im wesentlichen mit der Unvereinbarkeit der Wasserkraftanlage mit der Wasserrahmenrichtlinie. Konkret wirft der Fischereiverband der Wasserkraftanlage eine mit dem Betrieb einhergehende Verschlechterung des Fischbestands vor.
Die Wasserkraftanlage Lollar zeichnet sich durch eine sehr hohe Fischverträglichkeit aus. Sie geht mit dem Horizontalrechen von 12mm Stababstand und Fischabstieg nach Gluch/Ebel weit über die Bestimmungen in der hessischen Fischereiverordnung zum Schutz vor Wasserkraftanlagen hinaus. Hinzu kommen sehr langsam drehende, fischverträgliche Turbinen. So ergibt sich eine Fischschädigung an der Wasserkraftanlage für die am schwersten zu schützende Art Aal zu 0,027% der abwandernden Aale. Dies bedeutet konkret, dass jeder 3700ste abwandernde Blankaal letal geschädigt wird. Auch für alle anderen vorkommenden Fischarten sind derartige wissenschaftliche Nachweise mit vergleichbarem Ergebnis geführt worden.

Demnach stellt der Betrieb der Wasserkraftanlage Lollar einen verschwindend geringen Einfluss auf den Fischbestand dar. Im Gegensatz dazu stehen fischfressende Tiere (z. B. Reiher und Kormoran) und die Angelfischerei. Der Verband hessischer Fischer e.V. sieht generell die Entnahme von 30% des Gesamtbestandes in jedem Oberflächengewässer als nachhaltig an. Der für diese Fließgewässerregion gültige Hegeplan sieht keinerlei Begrenzung der Entnahmemenge durch Sportfischer vor. Das gleiche gilt für Äschenregionen und untere Forellenregionen. Der geschützte Aal wird nach dem Hegeplan beangelt und soll teils sogar scharf befischt werden. Diese intensive fischereiliche Nutzung erscheint vielen Fachleuten unverständlich und stellt im Gegensatz zu der modernen Wasserkraft einen deutlichen Eingriff in die Fischbestände dar. Im Sinne des Artenschutzes in unseren Fließgewässern und des Miteinanders der Gewässernutzer wie Wasserkraft und Fischerei wäre es sicherlich sinnvoll, der Verband hessischer Fischer würde die fischereiliche Nutzung auch einmal unter dem Bewertungsmaßstab der Wasserrahmenrichtlinie betrachten, zumal er die Bezeichnung eines Naturschutzverbandes trägt.


Die Wasserkraftanlage Lollar hat mit ihrem hochwertigem Fischschutzkonzept Pilotcharakter für viele andere Wasserkraftanlagen, die bisher noch einen nicht ausreichenden Fischschutz besitzen. 

Am 29.07.2016 hat das Verwaltungsgericht Gießen den Eilantrag des Verbands Hessischer Fischer gegen die vom Regierungspräsidium Gießen erteilte Genehmigung zum Bau der Wasserkraftanlage abgelehnt. Daraufhin wurde die Klage zurückgezogen.

Buderus-Wehr Lollar mit den Gebäuden der Bosch Thermotechnik (vormals Buderus) im Hintergrund

 

Im Dezember 2017 ist die Wasserkraftanlage Lollar nach neunmonatiger Bauzeit in Betrieb gegangen.

 

Luftbild der Wasserkraftanlage Lollar in Gesamtansicht

Der Fisch-Kanu-Pass ist im April 2018 fertiggestellt worden und wurde seitdem von vielen Hunderten Kanuten durchfahren. Man kann dort sein Kanu treideln (auf dem Weg neben dem Fischpass entlanggehen und das Boot ziehen) oder auf den Borsten entlangrutschen.

               

 Die Einweihungsfeier der Wasserkraftanlage hat am 21. Mai mit vielen interessierten Bürgern stattgefunden. Berichte finden Sie im Gießener Anzeiger und in der Gießener Allgemeine, jeweils vom 23. Mai.

Im September wurde der Fischpass von der Clemens-Brentano-Europaschule in Lollar künstlerisch gestaltet, siehe Bericht vom 23.11.2018.

 

Weitere technische Details finden sich im redaktionellen Beitrag des Magazins "Wasserkraft & Energie".